Wie der Ball kleiner wurde

Ein Jahr nach meiner Geburt gingen meine Eltern mit mir zu einer sportlichen Untersuchung. Meine Reflexe sollten getestet werden. Mir saß eine Frau gegenüber, die mir einen Ball zuwarf. „Nach meiner Erfahrung“, sagte sie meinen Eltern, „ist es normal, dass das Kind den Ball nicht fängt.“. Die Kleinkinder sollen bei diesem Test nur eine Reaktion zeigen. Sie warf mir den Ball also zu, ich fing ihn. „Glücklicher Zufall!“ Ihr zweiter Wurf in meine Richtung erbrachte jedoch dasselbe Resultat, auch weitere, ich fing jeden Ball.

Eine Fußballerkarriere beginnt

Meine Eltern schlussfolgerten, dass ich eine kleine Begabung im Umgang mit einem Ball haben musste. Also meldeten sie mich mit sechs Jahren beim Fußballtraining an. Zusammen mit meinem damals besten Freund Ole landete ich im Verein Rot-Weiß Groß Glienicke. Wir waren im Vergleich zu den anderen Jungs noch echte Gartenzwerge. Aber wir brachten ein gewisses Talent mit. Unseren Trainer, der uns die ersten drei Jahre unserer „Fußballerkarriere“ begleitete, hatten wir lieb gewonnen. Leider musste er seinen Trainerberuf aufgeben. Uns hielt also nichts mehr bei Rot-Weiß. Mein Cousin hatte vor kurzem den Verein gewechselt, wir taten es ihm gleich und gehörten bald zum SC Staaken Berlin. Alles war hier anders: Spielklasse, Leute, Training. Wir lebten uns schnell ein, fanden Freunde. Drei Jahre lang hatten wir spannende Wochenenden mit Punktspielen, bei denen meine Eltern selbst bei Regen mit fieberten. Als nach unserer dritten Saison beim SC Staaken die Aussichten für den Verbleib in der gleichen Mannschaft schlecht waren, wechselten wir in den Fußballverein von Oles Bruder Jan, den SG Bornim. Mein Interesse für Fußball war ungebrochen. Spiel für Spiel und Training für Training hatte ich Spaß daran. An einem Wochenende traten wir gegen die Mannschaft auf dem 2. Tabellenplatz an. Inzwischen war ich seit sieben Jahren Abwehrspieler. In der zweiten Halbzeit wurde ich gefoult. Meine Knie schmerzten und ich bat den Trainer um eine Auswechslung. Ich hörte meinen Vater zum Trainier sagen: „Lass ihn auf dem Platz, er soll nicht jammern wegen der paar Schmerzen.“ Mein Vater ist keineswegs ein Unmensch. Er wusste nur leider nicht, dass ich mir eine ernste Verletzung zugezogen hatte. Die Auswechslung kam nicht zustande und ich spielte das Spiel so gut es ging zu Ende. Mit fatalen Folgen.

Die Katastrophe nimmt ihren Lauf

Beim nächsten Training konnte ich vor Schmerzen nicht mehr rennen. Ein Arzt diagnostizierte eine Beschädigung in meinem rechten Knie. Ich sollte 6 Wochen lang keinen Sport praktizieren. Ich musste diese für mich undenkbare Pause einhalten. Nach 6 Wochen wollte ich wieder trainieren; die Vorfreude war groß, die Enttäuschung noch größer. Ich konnte keine zwanzig Meter ohne Schmerzen rennen. Eine Entzündung unter der Kniesehne zwang mich erneut, 6 Wochen zu pausieren. Ein erneuter Trainingsversuch gab mir den Rest. Es lief immer noch nicht. Der dritte Arztbesuch brachte die schlimmste Diagnose: extrem schneller Muskelabbau infolge einer Wachstumskrankheit. Morbus Schlatter. Ich verabscheue diese Krankheit heute noch. Die Muskeln mussten wieder aufgebaut werden, eine Physiotherapie sollte dabei helfen. Letztlich war aber alles frustrierend, denn ich konnte nicht mehr Fußball spielen.

Eine Alternative muss her

Eine Welt brach für mich zusammen. Ohne Sport konnte ich nicht glücklich sein. So schlugen mir meine Eltern vor, es mit Tischtennis zu versuchen. Ich blieb skeptisch, ob dieser kleine weiße Ball mir meinen geliebten Fußball ersetzen könnte. In der 7. Klasse lernte ich auf der Begegnungsfahrt Henrik Fischer kennen. Zuerst konnte ich ihn nicht ausstehen, bis er mich eines Tages fragte, ob ich Lust habe, mit ihm Tischtennis zu spielen. Er erzählte mir, dass er vor ein paar Monaten in einem Tischtennis-Verein angefangen habe. Sein Spielstil war anders, als ich das von – wie man sie als Tischtennisspieler bezeichnet – Hobbykickern kannte. Ich hatte damals so einen Stil noch nie gesehen und war auf der Stelle begeistert. Und ich begann, leider erst am Ende der 7. Klasse, Tischtennis im Verein zu trainieren. Ein neuer Schläger musste her, einer aus einem richtigen Tischtennisladen. Ich konnte mich wieder begeistern und vergaß auf der Stelle mein Unglück aus dem Vorjahr.

Aus einer „Null“ wird ein Profi

Der Vereinsleiter ist ein Typ für sich. Er stempelte mich an meinem ersten Tag als hoffnungslos schlechten Tischtennis-Spieler ab und meinte, dass ich gleich wieder gehen könne. Mit der Unterstützung von Henrik und seinem Vater, der damals in der 2. Bundesliga spielte, gelang es mir aber, eine saubere Technik zu erlernen. Wenn ich heute in die Halle komme, werde ich von dem Vereinsleiter gelobt und beglückwünscht. Er sagt sogar zu kleinen Spielern, dass ich ihnen Vorbild sein solle. Ich kann diesen Menschen deshalb trotzdem nicht achten. Inzwischen habe ich mich soweit im Tischtennis entwickelt, dass ich der Beste unter den Jugendlichen meines Vereins bin und mit den besten erwachsenen Spielern aus meinem Verein schon mithalten kann. Das ist für mich ein tolles Ergebnis nach einer anstrengenden und qualvollen Reise. Es hat sich gelohnt zu kämpfen. Danke an Karsten und Henrik Fischer!

Felix Liebich, 11a

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