Für deutsche Jugendliche ist es typisch, im Sommer in den Süden zu fahren, sich am Strand zu sonnen, um alle Sorgen hinter sich zu lassen. Bisher führten auch mich die Sommerferien oft ins sonnige und warme Italien, doch dieses Jahr kam es anders. Meine Schwester und ich entschieden kurzerhand, ohne die Eltern mit einer uns noch unbekannten Reisegruppe von 20 Leuten nach Norwegen zu fliegen. Die Reise versprach spannend zu werden und letztlich wurden unsere Erwartungen an den Urlaub sogar noch übertroffen.
Unsere Reise nahm in Oslo ihren Anfang. Gleich nach dem Einchecken liefen wir einem Mitglied der Marco-Polo-Reisegruppe über den Weg und erkundeten gemeinsam die schöne Innenstadt. Am Abend trafen wir unseren Scout Andreas und den Rest der Reisegruppe; wir stellten uns in einer kleinen Kennlern-Runde vor, neue Freundschaften nahmen ihren Anfang. Am nächsten Morgen begann die Sightseeing-Tour. Andreas zeigte uns die Kirche, das Parlament, die Universität und das Nationaltheater. Mit seinem Fachwissen brachte er uns die norwegische Kultur näher und erklärte uns, was die Statue eines Franzosen als schwedischer König vor einem norwegischen Schloss zu suchen hat. Schließlich besuchten wir die Holmenkollen-Sprungschanze und den berühmten Skulpturenpark.
Unsere Reiseroute führte uns nach Norden in das wunderschöne Fjordnorwegen – eins der schönsten Reiseziele der Welt. Über das grandiose Bergpanorama und die neben uns herabstürzenden Wasserfälle konnten wir nur staunen. Wir überquerten den Trollstigen und kauften uns als Souvenir einen kleinen Troll. „Die Norweger glauben daran“, erklärte uns Andreas, „Trolle sind für sämtliche Naturkatastrophen verantwortlich und malen im Herbst die Blätter bunt an.“ Nach einem Zwischenstopp in Aalesund nahmen wir die Fähre und schipperten einem Slalom gleich durch Sunde und Fjorde nach Geiranger.
In Loen erwartete uns das Abenteuer. In den nächsten Tagen unternahmen wir einige Wanderungen und kamen dabei oft ins Schnaufen. Abends saßen wir noch lange am Lagerfeuer und morgens gingen einige von uns – auch ich – im eiskalten, türkisgrünen See, der direkt an unserem Campingplatz lag, schwimmen. Einzigartig war unsere Wanderung auf den Gletscher. Wir banden Steigeisen an die Schuhsohlen und kletterten auf dem Eis entlang vieler tiefer Gletscherspalten nach oben. Oftmals wurde es sehr steil, ab und zu fiel jemand hin, doch wir schafften es auf 8oo Höhenmeter und wurden mit einer erstaunlichen Aussicht belohnt. Für mich war es das Highlight der Reise und ich bedaure, dass heutzutage viele Gletscher schon stark schmelzen und Wanderungen wie diese für viele Urlauber nicht mehr möglich sein werden. In dem Gletschermuseum, das von außen an eine Eisscholle erinnert, wurden wir über die Folgen der Klimaerwärmung aufgeklärt und darüber, welchen enormen Anteil der Mensch daran hat. Am nächsten Tag bekamen wir die Gelegenheit, auf einem Gletschersee – hoch in den Bergen – Kajak zu fahren.
Es war kalt und regnerisch, aber es machte eine Menge Spaß. Am Nachmittag wurde unsere Laune durch die aktuellen Ereignisse in Norwegen getrübt: Der Bombenangriff in Oslo und die Geschehnisse auf der Insel Utoya, wo der Norweger Breivik als Polizist verkleidet um sich schoss und 70 Menschen tötete, schockierten uns. Noch genau eine Woche zuvor hatten wir vor dem Parlament in Oslo gestanden und die schwachen Sicherheitsvorkehrungen festgestellt.
Unseren letzten Reisetag verbrachten wir in Bergen. Bergen ist die verregnetste Stadt in ganz Europa. Es regnet dort durchschnittlich 270 Tage im Jahr. Doch wir hatten Glück mit dem Wetter und konnten noch eine letzte Sightseeing-Tour starten, bevor es wieder zurück nach Deutschland ging. Am Abend saßen wir gemeinsam im Pub, hoben das letzte Mal die Biergläser und versprachen, in Kontakt zu bleiben.
Caroline Schuck
Danke für den interessanten Bericht! Ich selbst habe schon mehrere Ferien in Norwegen verbracht und schwärme immer wieder von der überwältigenden Vielfalt der Natur. In diesem Jahr war ich wahrscheinlich zur selben Zeit wie ihr dort, denn auch ich erlebte die Reaktionen auf die Osloer Ereignisse direkt im Land. Allerdings befand ich mich sehr weit entfernt – bei Kirkeness, nahe der russischen Grenze.
M. Rudolph