von Luisa
Vorteil freier Entscheidung
Schon seit meiner frühen Kindheit erlaubt mir meine Mutter, selbstbestimmte Entscheidungen zu treffen. Dieses Privileg habe ich immer sehr genossen. Nur wenige andere Kinder in meinem Alter durften damals so viel selbst entscheiden wie ich. Ich erinnere mich immer gern an eine Situation, die mir eigentlich nur durch Erzählungen bekannt ist. Ich wollte damals, ich schätze im Alter von vier oder fünf, im Herbst ohne Jacke nach draußen gehen. Meine Mutter sagte mir, dass ich mich vielleicht erkälten würde, aber ich setzte mein Vorhaben trotzdem in die Tat um und sie akzeptierte es. Ich weiß nicht mehr, ob ich mich damals erkältet habe oder nicht, aber für mich ist dieser Moment immer noch ein Beispiel für meine freie und offene Erziehung. Ich bin der Meinung, dass für mich viel Gutes daraus resultiert hat. Ich war nie ein Kind, das seiner Mutter verschwiegen hat, dass es auf Partys geht – und zwar aus dem einfachen Grund, dass sie es mir erlaubt hat. Ich habe meiner Mutter vom meiner ersten Zigarette, meinem ersten Kuss und allen möglichen anderen Dingen, die eventuell nicht ganz legal waren, erzählt. Ich tat es, weil meine Mutter mich fast nie für solche Dinge bestraft oder sie mir verboten hat. Sie hat stets nur von mir erwartet, dass ich ehrlich und verlässlich bin. Damit habe ich mir meine Freiheit und mein selbstbestimmtes Handeln „erkauft“.
Vielleicht wünsche ich mir inzwischen manchmal, einmal mehr „Nein“ gehört zu haben, aber letztlich hat es mich zu dem Menschen gemacht, der ich bin. Ich bin mir meistens über die Konsequenzen meines Handelns bewusst. Okay, damit umzugehen, ist eine andere Sache, aber ich wäre sicher nicht so selbstbewusst und meinungsstark geworden, wenn mir meine Mutter damals nicht so viele Entscheidungen überlassen hätte.
Fluch verbotener Wünsche
Betrachten wir den umgekehrten Fall: Was resultiert aus Verboten? Meistens nur, dass die verbotenen Dinge trotzdem getan werden, aber dafür im Heimlichen. So hat man als Eltern keine Ahnung, was sein Kind macht, weil es einem – aus Angst vor Verboten – nichts mehr erzählt. Eltern wissen nicht, dass ihr Kind auf eine Party geht, sondern denken, es würde bei einer Freundin oder einem Freund schlafen. Sie haben keine Ahnung, dass sich das Kind schon zum x-ten Mal betrunken hat, und glauben, es trinke fast keinen Alkohol. Somit entfällt auch die Möglichkeit, mit dem Kind über diese Dinge zu reden und es über einen verantwortungsbewussten Umgang mit solchen Sachen aufzuklären. Kinder, denen immer alle Entscheidungen abgenommen werden und die nicht gelernt haben, eigene Entscheidungen zu treffen, wachsen realitätsfern auf.
Blick in die Realität
Doch wie selbstbestimmt ist unser Handeln wirklich, auch wenn uns viele Entscheidungen scheinbar selbst überlassen werden? Manchmal entscheiden gar nicht wirklich wir. Unsere Umwelt hat enormen Einfluss darauf, wie wir uns entscheiden. Werbung spielt hier eine große Rolle. Aber auch die Politiker und ihre Reden beeinflussen uns. Durch Sprache und bestimmte Manipulationstechniken lassen sich die Meinungen von Menschen gezielt in eine ganz bestimmte Richtung lenken. Auch unser Umfeld und vor allem unser Elternhaus haben entscheidenden Einfluss auf unseren Charakter und somit auch auf unsere Meinungsbildung und Entscheidungsfindung. Völlig eigenständig und frei von anderen Meinungen entscheidet also niemand. Trotzdem ist es wichtig, sich für die eigene Freiheit und Selbstbestimmung stark zu machen. Natürlich macht das manche Entscheidungen schwieriger, aber du bist der Mensch, der für dein Leben verantwortlich ist. Deswegen musst du auch deine Entscheidungen treffen und dein Handeln verantworten.
Sei also stark und lehn dich auch mal auf! An alle volljährigen Mitschüler: Geh bspw. zum Arzt und lass dich impfen, obwohl deine Eltern es dir verbieten. Brich nach der zehnten Klasse die Schule ab, wenn du dich dort sehr unwohl fühlst und dir sicher bist, dass du für deinen weiteren Weg kein Abi brauchst oder es dir nicht wichtig ist. Entscheide dich, wenn du schwanger bist, eigenständig für oder gegen das Kind! Trag die Klamotten, die dir gefallen und so viel oder so wenig Make-Up, wie du magst. Mach nicht alle möglichen sinnlosen Dinge mit, weil andere sie gut finden. Sag, was du denkst!
Das bist du, das ist dein Leben, du gibst die Richtung an!