Afrikanische Reise von Weihnachten bis Neujahr

Schüler der 3ième, Hedwig rechts.

Schüler der 3ième, Hedwig rechts.

Seit September 2014 ist Hedwig Zumpe (Abi 2014) in Afrika. In der letzten Printausgabe konnten wir einen ersten Bericht von ihr aus Togo veröffentlichen. Noch immer ist es für sie schwierig, das Internet zu nutzen. Das klappt nur, wenn sie das Wochenende im naheliegenden Kpalimé verbringt, wo die Freiwilligen aufeinandertreffen und sich auch das Büro von ASTOVOT befindet. Hier funktioniert teilweise die Internetverbindung, obwohl kleine Stromausfälle und Verbindungsprobleme nicht selten sind. Hedwig unternimmt viel mit ihrer Mitfreiwilligen Helen, die mit ihr gemeinsam an der Schule in Dalavé arbeitet. Die beiden nutzten ihre Weihnachtsferien im Dezember, um Togo besser kennenzulernen und Benin für sich zu entdecken. Sie unternahmen eine Reise, von der Hedwig uns geschrieben und ihre Freundin Helen in ihrem Blog berichtet hat.

REISE IN DEN NORDEN
Geplant hatten wir zunächst nur, dass es in den Norden und dann nach Benin gehen sollte. Das Visum für Benin hatten wir uns in Lomé organisiert. Am 19. Dezember fuhren wir los und verbrachten die erste Nacht unserer Reise in Atakpamé. Über Sokodé erreichten wir Balanka, eine kleine Stadt direkt an der Grenze zu Benin, wo wir zwei Tage bei Joscha und Sarah, zwei „Mitfreiwilligen“, blieben und deren Gastfamilie und die Arbeit der beiden in der Bibliothek kennenlernten. In den folgenden Tagen fuhren wir nach Sokodé und Kara. In Bafilo, einem kleinen Dorf zwischen Sokodé und Kara, beobachteten wir in einer Werkstatt, wie auf traditionelle Weise Stoffe gewebt wurden. In diesem Teil des Landes ist die Landschaft völlig anders als die sehr, sehr grüne tropische Landschaft mit vielen Bäumen im Süden. In der Region Kara gibt es eine Savannenlandschaft mit nur vereinzelt stehenden Bäumen. Noch weiter im Norden, so hörten wir, soll es gar keine Bäume mehr geben.

WEIHNACHTEN
Auf dem Weg nach Kandé in Nord-Togo unweit der Grenze zu Benin besuchten wir in Niamtougou eine Werkstatt, in der Menschen mit Behinderungen Stoffe batikten. Es war sehr interessant, die Arbeitsschritte bis zum fertig bedruckten Batikstoff zu verfolgen. Den Abend des 24. Dezember verbrachten wir auf der Dachterrasse unserer Herberge in Kandé mit gutem Essen und guten Getränken und beobachteten erst den Sonnenuntergang und später den Sternenhimmel. Es wurde ein sehr entspannter Abend, der so ganz anders war als ein Heiligabend in Deutschland.
Am ersten Weihnachtstag fuhren wir ins Tamberma-Gebiet. Dort stehen die Häuser einzeln, sind aus Lehm und wie kleine Festungen gebaut. Diese Bauweise stammt noch aus Zeiten, als die Könige von Dahomey durch das Land zogen und Menschen gefangen nahmen, um diese dann als Sklaven zu verkaufen. Irgendwo in diesem Gebiet überquerten wir unbemerkt die Grenze nach Benin und kamen spätnachmittags nach Natitingou, von den Einwohnern liebevoll „Nati“ genannt. Hier wollten wir den zweiten Weihnachtstag im Penjari- Nationalpark verbringen.
Am Morgen des 26. Dezember vergaßen wir die Zeitverschiebung – Benin hat die gleiche Zeit wie Deutschland – und wurden kurz vor 5 Uhr früh mit einem lauten Klopfen an der Tür geweckt. Schnell packten wir alle Sachen zusammen und fuhren noch im Dunkeln los, um so früh wie möglich im Park zu sein. Den ganzen Tag lang fuhren wir durch den Nationalpark und sahen Krokodile, Nilpferde, Vögel, Affen, Antilopen, Warzenschweine und Elefanten. Im Gegensatz zu anderen, größeren Nationalparks ist es im Penjari eher Glückssache, ob man Elefanten zu sehen bekommt oder nicht. Wir hatten Glück und sahen gleich mehrere Elefanten-Herden. Krönender Abschluss dieses wundervollen „Weihnachtstages“ wurde ein erfrischendes Bad knapp außerhalb des Parks unter einem Wasserfall.
Dieses Weihnachten war eine völlig neue, aber sehr tolle Erfahrung. Ich habe die weihnachtswütigen Menschenmassen und den nicht enden wollenden Konsum in Europa nicht vermisst.

Am nächsten Tag begann unsere Rückreise in Richtung Süden. Auf dem Weg stoppten wir eher zufällig in einem kleinen Dorf namens „Wé-Wé“. Als wir durch das Dorf spazierten, wurden wir spontan von einigen Frauen zum Essen eingeladen. Diese erzählten uns, dass an dem Tag noch eine Hochzeit stattfinden sollte, und luden uns dazu ein. Wir mussten nicht lange überlegen; dankend nahmen wir die Einladung an. Wir verbrachten zwei Tage dort, nahmen an der muslimischen Hochzeit teil und tanzten abends mit dem ganzen Dorf. Dieses Ereignis und vor allem die Menschen, die es uns möglich machten, werden uns wohl noch lange in Erinnerung bleiben. Es war eine unglaubliche Erfahrung: Uns wurde ungetrübte Gastfreundschaft entgegengebracht, wir wurden wie zwei verlorene Töchter in die Familie aufgenommen, bekamen mehr als genug zu essen und ein Zimmer zum Schlafen, ohne dass diese Menschen irgendetwas über uns wussten, und vor allem, ohne dass sie im Gegenzug etwas verlangten.
Am dritten Tag verabschiedeten wir uns schweren Herzens von unseren neu gewonnenen Freunden und reisten weiter Richtung Süden. In Abomey besichtigten wir das Museum, da hier früher die königlichen Paläste der Könige von Dahomey – Lehmbauten aus der Mitte des 17. bis zum späten 19. Jahrhundert – standen. Wir konnten viel Interessantes über die Zeit und die strengen, brutalen Könige lernen.

NEUJAHR
In Cotonou, der größten Stadt Benins, verbrachten wir Silvester. Wir gingen essen, setzten uns in eine Bar, beobachteten um Mitternacht das Feuerwerk auf der Straße und tanzten mit einer Gruppe von Italienern in das neue Jahr. Am 2. Januar feierten wir mit Joscha, Sarah u.a. am Strand. Den 3. Januar verbrachten wir in Ouida, von wo aus seinerzeit die Sklaven, die von den Königen von Dahomey aus einem großen Teil Westafrikas gefangen, verkauft, auf Schiffe verladen und in die „neue Welt“ gebracht worden waren. Wir nahmen an einer Führung teil, die uns die letzten Stationen der Sklaven vor der Verschiffung zeigte.

EXKURS in die Geschichte
Das Königreich Dahomey umfasste zum Ende des 19. Jahrhunderts ein Gebiet, das sich auf einer Länge von knapp 300 km vom heutigen West-Nigeria bis nach Ghana erstreckte. Hauptstadt und Zentrum des Königreiches war die heute im Benin gelegene Stadt Abomey.
Das Königreich Dahomey wurde im 17. Jahrhundert gegründet und bestand bis Ende des 19. Jahrhunderts, als es von französischen Truppen von Senegal aus erobert und später Teil von Französisch-Westafrika wurde. Ab etwa 1650 dominierten Zuwanderer aus dem Küstenkönigreich von Allada die Stämme der Fon und der Wegbaja und erhoben den König aus ihren Reihen. Unter König Houegbadja und seinen Nachfolgern wurde Abomey zum Mittelpunkt eines zentralistischen Staates mit tief verwurzeltem Königs-Kult sakralen Charakters. Dazu gehörten auch Menschenopfer für die Vorfahren des Königshauses. Alles Land besaß der jeweilige König, der Steuern auf alle Feldfrüchte erhob. Ökonomische Stütze der Könige von Dahomey war der Sklavenhandel an den Küsten. Die Könige Dahomeys überfielen benachbarte Völker und machten Kriegsgefangene zu Sklaven. Sie setzten Sklavenjäger ein, die durch das Land zogen, ganze Dörfer niederbrannten und die Bewohner verschleppten. In Forts an der Küste wurden die Gefangenen in dunkle Verliesen gesperrt, bis das nächste Sklavenschiff landete und sie nach Amerika oder Europa brachte. Durch den Menschenhandel wurde das Königreich in kurzer Zeit unermesslich reich. Als die Könige expandierten, benutzten sie bereits Gewehre und andere Feuerwaffen, die sie durch den Sklavenhandel mit Amerika und Europa erworben hatten. Unter König Agadja (1708 bis 1732) eroberten sie Allada, aus dem die herrschenden Familien abstammten, und erhielten so direkten Zugriff auf die Küste und die Anlegeplätze europäischer Sklavenhändler. Vom 17. bis zum Ende des 19. Jahrhunderts verfügte Dahomey über Frauen-Regimenter in der Armee. 1727 eroberten die Amazonen des Königs von Abomey die Stadt Ouidah, die Hauptstadt des Königreiches Feh. Ouidah war eine Hafenstadt im Golf von Benin. Bald entwickelte sich Ouida zum wichtigsten Handelsplatz zwischen Europa und dem Königreich Abomey. Im 18. Jahrhundert wurden von hier aus Zehntausende von Sklaven verschifft. Noch heute zeugt das „Tor ohne Wiederkehr“ von dieser grausamen Geschichte.
Trotz späterer Tributpflicht an das Nachbarreich Oyo um 1730 behielt Dahomey seine Unabhängigkeit und expandierte weiter durch den Handel mit Sklaven und später auch Palmöl. Der König behielt das Monopol auf alles Land und den Handel. – Am 10. September 1885 schloss Portugal einen Vertrag mit dem Königreich Dahomey, wodurch Portugal Anfang 1886 das Protektorat über dessen gesamte Küste übernahm. 1892 fiel Dahomey an Frankreich. Französische Truppen, größtenteils afrikanischen Ursprungs, eroberten Dahomey zwischen 1892 und 1894 endgültig.
(verschied. Quellen, die Red.)

Wir haben in Benin also viel über die Geschichte der afrikanischen Sklaven erfahren und gesehen: im Norden das Tamberma-Gebiet, wo sich die Menschen vor der Versklavung versteckten, in Abomey die Paläste der Könige von Dahomey, die ihr eigenes Volk jagten und an Europäer verkauften, und in Ouida den Sklaven-Markt und die „Door of no return“, denn jeder Sklave, der einmal durch dieses Tor gegangen war, hatte keine Hoffnung mehr, den afrikanischen Kontinent jemals wieder zu betreten.

Inzwischen läuft das Leben in Dalavé wieder seinen schon gewohnten Lauf: Jeden Tag wache ich zwischen 5 und 5.30 Uhr auf, da es zu dieser Zeit hell wird und damit das Dorfleben mit dem allmorgendlichen Fegen beginnt. Nach meiner Eimerdusche unter freiem Himmel gehe ich zum Frühstück zu meiner Gastfamilie und um 7 Uhr beginnt offiziell der Unterricht…

Hedwig (und Helen) aus Togo

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