40 Jahre Schule. Auf dem Schulfest nachgefragt

40 Jahre_Gäste_Schüler und Schulleiterinnen auf dem Schulfest

Eröffnung des Schulfestes und Vorstellung der Gäste. Vorn Mitte v.li.: Lenné-Schulleiterin Frau Roßland (grüne Jacke), Herr Müller (ehemaliger Lenné-Schulleiter), Schulleiterin der Grundschule Frau Barz, Herr Scharfenberg u.a.

Am 01. September fand auf dem Gelände der Lenné-Gesamtschule und der benachbarten Grundschule anlässlich der 40 Jahre, die der Schulstandort schon existiert, ein Schulfest statt. Darüber berichten wir in der aktuellsten Ausgabe unserer Schülerzeitung. Einige Antworten der befragten Gäste und Schulinternen findet ihr in der Printausgabe, die etwa Mitte Januar 2015 online zu lesen sein wird. Weitere FRAGEN beantworteten uns:

Frau Andrea ROSSLAND
(Schulleiterin der Lenné-Gesamtschule Potsdam)

Frau Roßland, was verbindet Sie ganz persönlich mit dieser Schule?
Ich denke, dass ich sehr verbunden mit dieser Schule bin, weil ich nicht viele Schulen in meinem Lehrerdasein kennengelernt habe. Ich habe bis 1984 in Potsdam studiert, bin dann an der POS Nadeshda Krupskaja, der heutigen Eisenhart-Grundschule, gewesen und bin 1987 von dort hierher gekommen. Ich fühle eine große Verbundenheit zu unserer Schule. Nach der Wende wurde viel verändert und ich bin stellvertretende Schulleiterin geworden. In gemeinsamer Arbeit mit Herrn Müller haben wir über zwei Jahrzehnte doch eine ganz tolle Schule aufgebaut. Viele sehr gute Sachen sind entstanden, die die Jahrzehnte überlebt haben. Diese Nachhaltigkeit ist an unserer Schule sehr wichtig, Nachhaltigkeit in dem Sinne, dass man nicht einmal ein Projekt macht, sondern immer wieder auf diese Weise arbeitet. Mit dem Öko-Praktikum zum Beispiel ist Herr Müller damals angetreten, als er Schulleiter wurde, das gibt es heute noch. Wir feiern in diesem Schuljahr auch 20-jähriges Lenné-Jubiläum und es ist toll, wenn man nach 20 Jahren immer noch zeigen kann, dass an unserer Schule so etwas gemacht wird. Ansonsten ist es ist es immer ein Kommen und Gehen an einer Schule, wenn man diese vielen Jahre ansieht. Im Moment sind wir kräftig dabei, uns zu verjüngen. Ihr habt selbst gesehen, dass es eine Menge junger Lehrerinnen und Lehrer gibt. Ich glaube, es wird im nächsten Jahr noch einmal zwei neue Kollegen geben, weil sich die Stundenzahl der Lehrer verringert. Auch ist es eine Herausforderung, den neuen Kollegen zu vermitteln, was es bedeutet, „Lenné-Schule“ zu sein: Was ist hier die „Familie“, wie gehen wir gemeinsam damit um, wo setzen wir unsere Schwerpunkte? Ich denke aber, dass es gelingen wird und dass diese Verjüngung sehr wichtig ist. Es ist meine Lenné-Schule. Das war auch ein Grund dafür, dass ich mich nach dem Weggang von Herrn Müller um die Schulleiterstelle beworben habe.

Was bedeutet es heute für Sie, an Ihrer Schule Schulleiterin zu sein?
Es ist noch einmal ein ganz anderes Gefühl. Ich hatte heute an unserem Jubiläumstag auch ein gutes Gespräch mit Herrn Müller. Wir saßen da vorne gemeinsam und haben noch einmal gesagt, dass so manche Kollegen immer noch dieselbe Aufgabe verantwortungsvoll ausführen, als Beispiel ging es um die Projektleitung. „Ja“, sagte er, „es hat sich nichts verändert.“ Eigentlich hat sich schon etwas verändert, denn schließlich ist er nicht mehr da.

Wie würden Sie die Entwicklung der Schule in einem Wort beschreiben?
Als Bewegung.

Was verbinden Sie mit dem Begriff Inklusion?
Es ist ein europäischer Beschluss, der besagt, dass alle Schüler gemeinsam im Unterricht lernen. Vor der Inklusion gab es die Integration, mit der wir ja über viele Jahre schon Erfahrungen gemacht haben. Ich denke, dass wir noch heute an der Stelle der Integration stehen. Früher gab es Förderschulen und die Lehrer, die dort unterrichteten, waren nach besonderen Schwerpunkten ausgebildet. Wenn wir das jetzt alles öffnen und hier in die Schule holen, dann würde es also heißen, dass jeder von uns auch noch Sonderpädagoge wäre. Das können wir gar nicht leisten, denn wir haben nicht die Ausbildung dazu. Wir können uns nur gemeinsam fortbilden, was wir zu verschiedenen Themen wie Teilleistungsstörungen, LRS, Dyskalkulie oder Autismus auch schon gemacht haben. Das reicht aber oft nicht aus. Momentan sind wir in der immerhin guten Lage, dass wir mit Herrn Kirchenberger und Frau Heuschneider zwei Sonderpädagogen an der Schule haben. Für ein paar Stunden haben wir auch noch Frau Garcia Osorio bei uns und wir hoffen, dass wir auch sie noch an unsere Schule holen können. Ich weiß auch um die Schwierigkeiten und die Diskussionen. Man muss um Unterstützung und Sonderpädagogen kämpfen und auch seine Forderungen immer wieder stellen. Ich sehe mir diese Kinder, die zu uns kommen wollen, in der Regel auch vorher in der Grundschule an, um mir ein Bild zu machen. Und ich verspreche den Eltern nichts, was ich nicht auch halten kann. Ich sage nicht: „Kommen Sie zu uns! Wir machen das schon irgendwie.“ Ich gucke genau hin und überlege, was können wir im konkreten Fall leisten und was können wir nicht leisten.
Wir haben im Moment eine breite Fächerung. Wir haben z.B. Kinder mit körperlich-motorischen Handicaps, wir haben sprach- und hörgeschädigte Kinder und wir haben Kinder mit autistischem Förderschwerpunkt. Auch bei derselben Bezeichnung bleibt jeder sehr unterschiedlich in seiner Ausprägung, wie wir das bei allen Menschen in der Regel auch haben.
Ich würde mir noch wünschen, dass man in der Fachsprache das Wort Behinderung ersetzt, wenn wir denn wollen, dass wir uns alle gleichbehandelt fühlen sollen. Ich finde es auch immer furchtbar, wenn man von verhaltensgestörten Kindern spricht. Sie haben einen sozial-emotionalen Bereich mit Förderschwerpunkt und für diese Wörter sollte man sich dann auch die Zeit nehmen. Wir haben zum Ende des letzten Schuljahres ein Inklusionskonzept für unsere Schule verabschiedet. Aus dem groben, gesetzlichen Rahmen haben wir ein kleines Konzept für uns erarbeitet. Es beantwortet unsere Fragen: Wie wollen wir mit den Eltern arbeiten? Wie werden wir die Beschlüsse zu den Nachteilsausgleichen fassen? Es gibt dafür eine Arbeitsgruppe bei uns und wir werden das immer wieder überprüfen. Wir sind auf dem Weg, es ist noch nicht alles schön, es wird ein langer Weg und es wird auch nie aufhören. Deshalb ist auch hier ein gutes Schlusswort: Wir sind immer in Bewegung.

Sind Sie trotz der bekannten Schwierigkeiten ein Befürworter der Inklusion an Schulen?
Wir suchen uns die Kinder aus. Im Moment funktioniert das noch. Einen Förderschwerpunkt, den wir an unserer Schule nicht haben, habe ich noch nicht benannt, es ist der des Lernens. Das sind Kinder mit dem Förderschwerpunkt Lernen. Da gibt es auch eine große Bandbreite und man spricht hier dann doch von z.B. geistiger Behinderung, denn es sind Menschen, die zum Teil kaum beschulbar sind. Den Förderschwerpunkt Lernen haben wir an unserer Schule nicht. Ich habe mich bisher dagegen gewehrt, weil wir keine Erfahrung damit haben, nicht hinreichend ausgebildet sind und weil man für diese Kinder einen völlig neuen Rahmenplan schreiben müsste. Das sind die großen Schwierigkeiten, vor denen wir stehen. Man ist immer wieder geneigt, sich ein bisschen zu spezialisieren, was ich eigentlich grundsätzlich verneint habe. Im Moment sind wir aber doch auf so einem Weg. So haben wir in diesem Jahr in der Schule von Klasse 7 bis Klasse 11 autistische Kinder. Und höchstwahrscheinlich wird es in diesen Bereich gehen, weil es sich auch herumspricht. Vom Autismus-Zentrum am Oberlinhaus waren jetzt schon Kinder mit ihren Eltern hier, um sich für das nächste Schuljahr anzumelden. Es gibt auch schon Anfragen für das übernächste Schuljahr 2016/17. Und es gibt sogar schon eine Anfrage für 2017/18. In diesem Bereich könnten wir uns doch eine Spezialisierung vorstellen.

Felix HELLER (Abi 2008)

Felix, was verbindest du mit Inklusion?
Also, Inklusion ist für mich: Wir versuchen, lernschwache und behinderte Kinder in den Regelunterricht mit einzubeziehen. Ich hab’s am Beispiel der 7. Klasse meines Bruders erlebt, dass es sehr kompliziert sein kann. Er ist kein lernschwacher, sondern eben ein „normaler“ Schüler.

Meinst du, dass Inklusion eine gute Erfindung ist?
Bedingt, ich fände es sinnvoll, nur ein paar Unterrichtsfächer zusammen zu unterrichten, weil ich nicht glaube, dass der Grundgedanke der Inklusion aufgeht, weil die Leute, die besonders talentiert sind, dann auch wieder zu kurz kommen, da man immer auf die „Inklusionis“ warten muss. Diese hinken dann immer so ein bisschen hinterher und das war auch das, was wir in der Klasse meines Bruders erlebt haben. Natürlich ist es cool, grundsätzlich Verständnis für behinderte Menschen zu entwickeln, und sie einfach so normal wie möglich ins eigene Bewusstsein aufzunehmen. Ich glaube aber, dass das auf diesem Weg noch nicht geht.

Wir bedanken uns bei allen Gesprächspartnern. Die Red.

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